Nachfolgend findet Ihr eine Auswahl interessanter Videos, z.B. zum Thema Neurodiversität und der "Spoon-Theorie", sowie aktuelle Zeitungsartikel:

Da wir sehr viele interessante Videos zu Autismus und Neurodiversität finden, sammeln wir die Videos in userem Youtube-Kanal:

Weiterführende Texte & Videos

Spoon-Theorie

Manche Behinderungen und Krankheiten kann man sehen, andere nicht.

„Nicht sichtbare Behinderungen oder Krankheiten sind genauso einschränkend wie sichtbare. Der Unterschied ist: Andere nehmen sie nicht wahr und glauben Betroffenen daher häufig nicht. Das erschwert ihnen die Teilhabe zusätzlich“, so Lars Hemme. Er ist Berater in der EUTB Teilhabeberatung und informiert Betroffene über Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe.


Um die Besonderheit unsichtbarer Erkrankungen oder Behinderungen zu veranschaulichen, wird gern die soganannte „Spoon-Theory“ genutzt, die „Löffel-Theorie“. Aber was ist die „Spoon-Theory“ genau und wie ist sie entstanden?

Ze.tt-Artikel zu "Barrieren am Arbeitsplatz"

(Datum: 22.08.2020)


In diesem Artikel werden verschiedene unsichtbare Barrieren und Hürden denen autistische Menschen im Arbeitsleben gegenüber stehen und Verbesserungsvorschläge für die Arbeitsweilt genannt. Interviewpartnerinnen sind u.a. Kristina Meyer-Estorf von Turtle Steps, Teresa Reutemann von Diversicon und Ivonne Fernández y González von Neurodivers e.V.

Worauf es Menschen im Autismus-Spektrum am Arbeitsplatz ankommt

Autistische Menschen besäßen als Arbeitnehmer*innen sehr viele Qualitäten, findet Teresa Reutemann von Diversicon, einem jungen Start-up aus Berlin, das Autist*innen auf ihrem beruflichem Weg begleiten möchte. Die Autist*innen, die sie in ihren Kursen kennenlernt, seien oftmals äußerst qualitätsbewusst, gründlich und zuverlässig.

Zett-Artikel zu "Masking"

(Datum: 16.07.2020)


„Beim Masking versuche ich mich an die neurotypische Norm anzupassen, damit meine autistischen Auffälligkeiten weniger ins Gewicht fallen und ich am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann“.

Masking: Menschen im Autismus-Spektrum erzählen vom Stress, sich im Alltag anpassen zu müssen

Bevor Kristina Meyer-Estorf in einen beruflichen Termin geht, steht sie unter einer erheblichen Anspannung. Sie überlegt sich ganz genau, was auf sie zukommt, und geht die bevorstehende Situation in ihrem Kopf Schritt für Schritt durch. „Ich frage mich: Was erwartet mich", erzählt sie, „und wie sollte ich mich verhalten?"

ZDF - Dokumentation

(Laufzeit: 14 min, Datum: 29.03.2020)


"Viele glauben, wir Autisten hätten keine Gefühle. Aber das stimmt nicht", sagt Yannis. Autisten fühlen oft zu viel. "Wir zeigen es nur nicht und erkennen Gefühle bei anderen nur schwer".

Wissenschaftliche Studien

Hier sollen nach und nach aktuelle wissenschaftliche Studien vorgestellt werden, die sich vom rein defizitorientierten Standpunkt der vergangenen Jahrzehnte positiv abgrenzen und neue Erkenntnisse zur Erfahrungswelt autistischer Menschen aufzeigen, überholte Stereotype wissenschaftlich widerlegen und präventive Ansätze bei umweltbedingten Problematiken wie beispielsweise Mobbingerfahrungen sowie möglichen Schwierigkeiten wie z.B. exekutiver Disfunktion bieten.



Titel: "Second guessing yourself all the time about what they really mean...": cognitive difference between autistic and non-autistic adults in understanding implied meaning


Sprache: Englisch

AutorInnen: Wilson & Bishop

Zeitschrift: Autism Research

Veröffentlichungsjahr: 2020

Link zur Studie: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32686325/


"Dauernd daran zweifeln was sie wirklich meinen könnten...: Kognitive Unterschiede zwischen autistischen und nicht-autistischen Erwachsenen beim Verstehen implizierter Bedeutungen"


Die Studie untersuchte, wie Autist*innen mit "impliziten Bedeutungen" umgehen (d.h. wenn die Bedeutung einer Kommunikation nicht explizit ist, sondern aus dem Kontext erschlossen werden muss).


Sie bewerteten 71 autistische und 120 nicht-autistische Menschen anhand eines Tests für implizite Bedeutungen (ICT) und berücksichtigten dabei ihre kernsprachlichen Fähigkeiten.


Autist*innen wiesen überdurchschnittliche kernsprachlichen Fähigkeiten auf.

Sie zeigten eine Präferenz, "weiß nicht" zu wählen, und wählten diese Antwort doppelt so oft wie nicht-autistische Teilnehmende.


Wenn diese Option jedoch entfernt wurde, dann kamen autistische Personen meist zur korrekten (erwarteten) Interpretation.


Sie neigten dazu, normative Schlussfolgerungen eher zu vermeiden, wenn es nicht genug Informationen gab. Aber wenn sie Annahmen trafen, waren diese in 90% der Fälle richtig.


Ein Studien-Teilnehmer sagte:

"Ich kann wirklich gut erraten, was die Leute meinen.

Aber die Angst, dass es auch noch viele andere mögliche Bedeutungen gibt, ist anstrengend.“


1
2
3
5
4


Titel: Autistische Erwachsene können fälschlicherweise als trügerisch und wenig glaubwürdig wahrgenommen werden

Autor*Innen: Lim, Young, & Brewer

Zeitschrift: Journal of Autism and Developmental Disorders

Veröffentlichungsjahr: 2021

Link zur Studie: https://link.springer.com/article/10.1007/s10803-021-04963-4?fbclid=IwAR3NQjyGIp9yAZbfd7S_r-gp3tWalKdn44HgKynBNp-zZteLao2rH7PIRRo

 

Zusammenfassung: 

Diese Studie wollte herausfinden, ob Autist*innen wenn sie wahrheitsgemäß antworten als trügerischer und weniger glaubwürdig wahrgenommen werden als allistische (=nicht-autistische) Personen.

 

Basierend auf früheren Studien über Täuschung nahmen sie an, dass die folgenden „autistischen“ Eigenschaften als trügerisch wahrgenommen werden würden:

- Blickabwendung

- sich wiederholende Körperbewegungen

- flacher Affekt

- schwache soziale Reziprozität

- wörtliche Interpretation der Sprache

 

Warum?

 

Es wurde gezeigt, dass diese Merkmale unsere Wahrnehmung dahingehend beeinflussen, wie wahrheitsgemäß wir jemanden einschätzen ( obwohl diese Eigenschaften nicht zwangsläufig mit der tatsächlichen Wahrhaftigkeit verbunden sind)

 

Vorgehen:

 

Autistische und allistische Teilnehmende wurden bei einem Interview gefilmt, in dem sie wahrheitsgemäß antworteten kein Geld genommen zu haben.  Psychologen kodierten nach Sichtung der Videos die oben genannten Eigenschaften. Anschließend sahen sich Allistische Teilnehmende die Videos an, um zu entscheiden wie wahrheitsgemäß sie die autistischen und allistischen Personen einschätzten. Sie erfuhren nicht, ob die jeweiligen Personen im Video autistisch waren oder nicht.

 

Ergebnisse:

 

Tatsächlich fanden die Codierer, dass die fünf oben genannten Merkmale bei den autistischen Personen nicht häufiger waren als bei den allistischen Personen.

Das könnte auf Maskierung zurückzuführen sein.

 

Die allistischen Teilnehmenden bewerteten die autistischen Teilnehmenden als trügerischer auf den Skalen Kompetenz und Charakter. Wenn ihnen dann gesagt wurde, dass es sich bei den Personen um Autist*innen handelte, nahmen sie diese nicht mehr als trügerisch wahr. Allerdings bewerteten sie sie weiterhin als weniger kompetent als allistische Personen.

Das könnte daran liegen, dass Autismus mit Hilfe des DSM-V beschrieben wurde, das auf einem medizinischen Modell von Defiziten basiert, die dazu führen können, dass autistische Menschen als inkompetent wahrgenommen werden.

 

Obwohl Autist*innen in dieser Studie keine Verhaltensweisen aufzeigten, die sie offenkundig von der allistischen Gruppe trennte, wurden sie dennoch als weniger vertrauenswürdig und betrügerischer beurteilt. Die Gründe dafür sind unklar. Es könnte an subtilen Verhaltensnuancen oder Verhaltenskombinationen liegen, die dazu führen, dass Autisten anfälliger für negative Beurteilungen sind als Allisten.

Dieser Umstand sollte besonders in Kontexten wie dem Strafrechtssystem beachtet werden.


1aa
2aa
3aa
4aa
5aa
6

Gernsbacher, M. A., & Yergeau, M. (2019). Empirical failures of the claim that autistic people lack a theory of mind. Archives of Scientific Psychology, 7(1), 102-118. http://dx.doi.org/10.1037/arc0000067


Studie lesen (Englisch, externer Link):

https://psycnet.apa.org/fulltext/2019-75285-001.html


Buchempfehlungen

An dieser Stelle werden empfehlenswerte Bücher zum Thema Autismus ausführlich  vorgestellt werden.

Es werden auf dieser Seite  nur Bücher empfohlen werden deren zugrundeliegendes Menschenbild mit den Leitlinien des Vereins übereinstimmen.

Der Junge, der zu viel fühlte: Wie ein weltbekannter Hirnforscher und sein Sohn unser Bild von Autisten für immer verändern

  • Autor: Lorenz Wagner
  • Gebundene Ausgabe: 216 Seiten
  • Verlag: Europa Verlag; Auflage: 6 (September 2018)
  • Sprache: Deutsch
  • Kurzbeschreibung: Das Buch beschreibt wichtige Aspekte der Forschung von Henry Markram, dem Entwickler der „Intense World Theorie“. Henry Markram ist der Vater eines autistischen Sohnes. Es werden wissenschaftliche und persönliche Dinge berichtet. Die Erzählung beinhaltet Interviews mit Markram und seiner Familie.
  • Geeignet für: Das Buch ist spannend für Menschen, die sich für die Hintergründe der Forschung zur relativ neuen „Intense World Theorie“ interessieren. Geeignet ist das Buch für Erwachsene und ältere Jugendliche.
  • Nicht geeignet für: Nicht geeignet ist dieses Buch als schnelle Abendlektüre, da Fachbegriffe verwendet werden und der Inhalt eher ernst als unterhaltend ist. Das Buch ist keine Ratgeberlektüre.
  • Positiv hervorzuheben: Es wird sehr viel Wert auf Verständnis und Einfühlungsvermögen für autistische Menschen gelegt.

Inhalt:

Im ersten Abschnitt beschreibt das Buch wie Markram und seine Frau erste Herausforderungen im Umgang mit ihrem Sohn Kai bemerken. Diese Herausforderungen nehmen im Verlauf der Abschnitte zu und es wird die Suche nach einer Diagnose für Kai beschrieben.  Es wird erzählt wie Kai zunächst mit einer Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung diagnostiziert wird. Ein einschneidendes Erlebnis für die Familie findet statt, als der kleine Kai im Urlaub wegläuft und sorglos eine giftige Schlange streichelt

Im zweiten Abschnitt wird beschrieben, wie Markram seine Forschung zu autistischen Menschen

aufnimmt und wie sie sich entwickelt. Es wird von Fehlschlägen und Erfolgen der Forschung und auch im Umgang mit Kai berichtet. So melden die Eltern Kai in einer Schule an, welche sich auf den Umgang mit autistischen Kindern spezialisiert hat, wodurch sich Kai’s Befinden und Verhalten allerdings massiv verschlechtert. 

Im dritten Abschnitt wird über die genaue Entdeckung der Intense World Theory berichtet und von Markrams Großprojekt das menschliche Hirn zu verstehen. Ebenfalls wird beschrieben, wie sich die Sicht von Markram auf den Umgang mit autistischen Menschen entwickelt hat und welche Folgen sich für Ihn und seine Forschung daraus ergeben. 


Eindruck:

Das Buch ist sehr umsichtig geschrieben. Es findet die Balance zwischen persönlicher Erfahrung und Bericht über Forschungsprozesse sowie auch Erklärungen zum Gehirn.

Es wird sehr deutlich wie Forschung und persönliches Interesse von Markram zusammenkommen und sich entwickeln.

In wenigen Kapiteln muss man sich erst orientieren, wann und wo man sich in der Zeitlinie befindet und was genau dieser Abschnitt zum Buch und Verständnis von Forschung und Menschen mit Autismus beiträgt. Das Buch ist trotzdem gut zu verstehen.

Auch wenn gegen Ende Empfehlungen zum Umgang mit autistischen Kindern enthalten sind, ist dieses Buch keine Anleitung. Es beschreibt eher ein Beispiel für einen schwierigen Prozess, der manchmal vor der Diagnose „Autismus“ steht und für den manchmal langsamen und schwierigen Prozess der Forschung.

Geeignet ist das Buch für Erwachsene und ältere Jugendliche. Das Buch hilft Forschungsprozesse zu verstehen. Es hilft auch beim Verständnis der Intense Word Theorie, weil der Autor beschreibt wie Henry Markram aufgrund des Verhaltens seines Sohnes Kai die Theorie sieht und wie sie sich daraus entwickelt hat.

 

Intense World Theorie:

Die Intense World Theorie von 2010 ist eine neurobiologische Theorie über Autismus. Anders als vorhergegangene Theorien, welche davon ausgehen, dass autistische Menschen zu weniger Empathie fähig seien, stellt Markram die Hypothese (wissenschaftlicher Ausdruck für die Vermutung, den Verdacht) auf, dass autistische Menschen zu viel fühlen. Er schreibt, dass sich Autismus vor der Geburt in einem ganz bestimmten Zeitraum entwickelt. Dies sorgt dafür, dass die Neuronen, das sind die Nervenzellen im Gehirn, viel schneller und stärker kommunizieren, als es bei Menschen ohne Autismus der Fall ist. Dadurch erleben autistische Menschen Gefühle und Empfindungen viel Intensiver. Was für andere nur ein leicht blendendes Licht ist, kann für autistische Menschen sehr schmerzhaft sein, da sie es viel stärker Empfinden und sich auch in ähnlichen Situationen viel mehr daran erinnern. Dadurch können im Verlauf der Entwicklung Schäden im Gehirn entstehen, was mehr und verschiedenartige Herausforderungen für autistische Menschen mit sich bringt.